0:10:03
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| Alte Frau im Krankenbett: |
S'ist schlimm, wenn man alt wird, Herr Professor. |
| Dr. Prätorius: |
Doch nicht so schlimm, als wenn man nicht alt wird,
Großmutter. |
0:10:34 |
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| Alte Frau im Krankenbett: |
Ist Sterben schlimm, Herr Professor? |
| Dr. Prätorius: |
Nee, merks'te gar nicht. |
| Alte Frau im Krankenbett: |
Das glaub ich nicht. |
| Dr. Prätorius: |
Hast'e gemerkt, wie Du auf die Welt gekommen bist? |
| Alte Frau im Krankenbett: |
Nee. |
| Dr. Prätorius: |
Na also. Genauso wenig merks'te, wenn'de wieder verschwindest. |
0:17:12 |
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| Dr. Prätorius: |
Alles in schönster Ordnung, kein Grund zur Beunruhigung |
| Patientin Violetta: |
Danke, Herr Professor |
| Dr. Prätorius: |
Sie werden sich alle zwei Monate mal anschauen lassen. |
| Patientin Violetta: |
Aber ... Sie haben doch gesagt, es sei alles in schönster
Ordnung. |
| Dr. Prätorius: |
Ja, ja, in schönster Ordnung - wenn es ein Mädchen
wird, wird es so hübsch werden, wie seine Mutter.
Was wünscht sich der Vater - einen Jungen oder ein Mädchen? |
| Patientin Violetta: |
Es hat keinen Vater. |
| Dr. Prätorius: |
Oh - das wäre ein biologisches Wunder erster
Ordnung. |
| Patientin Violetta: |
Ich meine, ich bin nicht verheiratet. |
| Dr. Prätorius: |
Ich habe schon verstanden. Sie glauben gar nicht,
wie hellhörig man hier mit der Zeit wird.
Warum heiratet Sie der Mann nicht? |
| Patientin Violetta: |
Er ist verheiratet und da habe ich ihn verlassen. |
| Dr. Prätorius: |
Aha ... (nachdenklich ... wieder klar) Warum
brauchen Sie eigentlich einen Vater? |
| Patientin Violetta: |
Für mein Kind. |
| Dr. Prätorius: |
Na, das hab'n wir ja schon. Dazu brauch'n wir'n also
nicht mehr. Und später, glauben Sie mir, sind Väter meistens
nur im Wege. Väter haben etwas unberechenbares, bringen immer
so ne Art Unruhe in den Haushalt. |
| Patientin Violetta: |
Jetzt wollen Sie mich zum Lachen bringen. |
| Dr. Prätorius: |
Natürlich will ich das. |
| Patientin Violetta: |
Es wird Ihnen nicht gelingen. |
| Dr. Prätorius: |
Schade |
0:19:16 auf dem Flur |
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| Patientin Violetta: |
Ich konnte noch nicht weg gehen. Seien Sie mir nicht
böse, aber ich habe das Gefühl, dass ich Ihnen noch nicht
alles gesagt habe. |
| Dr. Prätorius: |
Natürlich haben Sie nicht alles gesagt. Begleiten
Sie mich? Was wissen Sie, was das Schicksal mit Ihrem Kind
vor hat? Vielleicht wird es Nobelpreisträger oder sonst
eine berühmte Persönlichkeit. Das kann es doch alles werden,
ohne dass Sie heiraten. Sind Sie schon einmal in einem Ferienort
geblieben, wenn die Saison vorbei war? |
| Patientin Violetta: |
Nein, noch nicht. |
| Dr. Prätorius: |
Na sehen Sie. Stellen Sie sich vor Venedig im Winter,
unter grauen Wolken, der windgepeitschte Canale Grande und Langeweile.
Das ist die Ehe - Venedig im Winter. |
| Patientin Violetta: |
Das meinen Sie nicht ernst. Sie wollen mich nur trösten. |
| Dr. Prätorius: |
Natürlich will ich Sie trösten. |
0:20:55 im Hörsaal |
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| Dr. Prätorius: |
Und was machen Sie hier, Alena? |
| Studentin: |
Anatomie studieren, Herr Professor |
| Dr. Prätorius: |
Anatomie studieren ... und all die anderen jungen
Damen studieren auch Anatomie? |
| Studentinnen: |
Ja |
| Dr. Prätorius: |
Ich kann mir auch nichts natürlicheres vorstellen
... na dann viel Spaß, Kinder. |
Studentin: |
Wollen Sie nicht Professor Speiter vertreten? |
| Kollege Dr. Klotz: |
Aber er ist ja gar nicht vorbereitet. |
| Dr. Prätorius: |
Lasst Euch nicht bluffen. Ich bin ja nicht unvorbereitet,
aber ich werde die Rede, die hier zu reden wäre, nicht reden.
Aber ich möchte Euch etwas fragen. Sie wollen also einem dringenden
Bedürfnis nachkommen und Ärztinnen werden - Kranke gesund
machen, bravo! Das macht viel Spaß, solange die Patienten
daran nicht sterben. Denn wo der Arzt ist, ist Krankheit und wo
Krankheit ist, ist Tod. Ihnen ist schon das Wunder der Geburt entzaubert
worden. Nun muss ich Ihnen leider noch die Poesie des Todes zerstören.
Denn nichts majestätisches hat dieser Geselle. Kein Mittel
ist ihm zu schlecht, keine Mikrobe zu winzig, kein Zufall zu läppisch.
Nicht, dass wir ihn fürchten, aber - es ist unsere Pflicht
als Ärzte, ihn zu hassen, von ganzem Herzen und von ganzer
Seele. Wir dürfen nicht müde werden, ihn zu belauschen
und ihm auf die Knochen-Finger zu klopfen. In seiner Gesellschaft
werdet Ihr Euch Euer ganzes Leben lang bewegen müssen - und
Ihr habt doch nur dieses eine Leben. Wisst Ihr überhaupt,
wie schön die Welt ist? |
| Studentinnen durcheinander: |
Ja ... |
| Dr. Prätorius: |
Nichts wisst Ihr - gar nichts wisst Ihr. Ihr wisst
etwas von Atombomben und internationalen Konflikten. Von Völkern
wisst Ihr, die sich, um Heim und Leben zu schützen, Regierungen
wählten - und dann haben sie ihr Heim zu verlassen und ihr
Leben zu geben, um diese Regierungen zu schützen. Millionen
junger Menschen, die nicht kämpfen wollen, bekämpfen Millionen
anderer junger Menschen, die ebenfalls nicht kämpfen wollen.
Und die Errungenschaften der Wissenschaft scheinen zu keinem anderen
Zweck errungen zu sein, als um all dies Errungene wieder zu zerstören.
Das ist die Welt von heute.
Aber kann das morgen nicht anders sein?
Leeuwenhoek entdeckte die Mikrobe im Wassertropfen, Pasteur den
Erreger der Tollwut, Robert Koch den Bazillus der Tuberkulose. Und
nach dem Gesetz, dass ein Mittel gegen eine Krankheit immer dann
gefunden wird, wenn diese Krankheit ihren Höhepunkt erreicht
hat, wenn sie schier unerträglich geworden ist, nach diesem
Gesetz muss heute oder morgen die Mikrobe der menschlichen Dummheit
gefunden werden! |
| Beifall |
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Und wenn es uns gelingt, ein Serum gegen die Dummheit
zu finden, diese entsetzlichste aller ansteckenden Krankheiten,
dann wird es im Nu keinen Hass und keine Kriege mehr geben, und
an die Stelle der internationalen Diplomatie wird der gesunde Menschenverstand
treten. |
| Die Studentinnen jubeln begeistert. |
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| Dr. Prätorius sehr nachdenklich: |
Die Dummheit tot - welche phantastische Perspektive
- ! |
0:23:55 |
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| Dr. Prätorius: |
Nur in der Liebe, wo sie jedes Maß übersteigt,
die Dummheit, da ist sie entzückend und liebenswert. Und damit
sind wir wieder beim Thema, meine Damen, bei Ihrem Thema, denn Ihr
Thema ist die Liebe, nicht die Anatomie.
Gelehrt sind wir genug. Was uns fehlt, ist Freude, was wir brauchen,
ist Hoffnung, was uns nottut, ist Zuversicht, wonach wir verschmachten,
ist Frohsinn. Denn wo sollen Eure Kinder die Frohnatur her nehmen,
wenn Mütterchen Knochen zersägt? |
| Lachen |
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Darum, meine Lieben - bei allem schuldigen Respekt
vor der Wissenschaft - helfen Sie uns, den Tod zu bekämpfen
mit den Mitteln, die Ihnen Gott in den Schoß gelegt hat, mit
der Gnade, neues Leben zu gebären. Bewahren Sie sich die Heiterkeit
Ihres Gemütes für Ihre Kinder - und wenn es hier auch
ein wenig altmodisch anmutet - kriegen Sie welche! |
0:25:30 Auf Station |
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| Patientin Violetta: |
Entschuldigen Sie. Ich habe eben Ihre Rede gehört
... und ich habe auch genau verstanden, was Sie sagen wollten, aber
so einfach ist es nicht mit der Liebe, der Zuversicht, dem Frohsinn. |
| Dr. Prätorius: |
Hab ich gesagt, dass es einfach ist? |
| Patientin Violetta: |
Nein, aber bei mir ist es ganz besonders schwierig. |
| Dr. Prätorius: |
Na, auf dem Korridor werden wir mit Ihren Schwierigkeiten
sowieso nicht fertig. Bitte ... |
| Dr. Prätorius: |
Nun? |
| Patientin Violetta: |
Es wäre ja alles nicht so schlimm, aber Sie
kennen meinen Vater nicht. Er lebt auf dem Lande ... |
| Dr. Prätorius: |
Ist er so altmodisch? |
| Patientin Violetta: |
Sehr altmodisch. Man kann ihn auch nicht mehr ändern.
Ich will es auch nicht - aber ich möchte ihm nicht weh tun. |
| Dr. Prätorius: |
Sagen Sie mal, worum geht es hier eigentlich?
... um Sie und Ihr Kind? ... oder geht es darum, einem altmodischen
Herrn seine Gemütsruhe zu erhalten? |
| Patientin Violetta: |
Ich weiß nicht. Ich weiß auch keinen
Ausweg. Dabei würde ich es so gerne behalten. |
| Dr. Prätorius: |
Sie werden es behalten. Vielleicht wünscht
sich Ihr Vater ein Enkelkind und Sie wissen's gar nicht? |
0:27:26 |
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| Dr. Prätorius: |
Schöner Beruf, was? Entweder es kommen Frauen,
die Kinder wollen und keine kriegen oder umgekehrt. |
0:52:09 |
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| Violetta: |
Weißt Du übrigens, dass Vater der felsenfesten
Überzeugung ist, dass es Dir ernst sei mit der Suche nach der
Mikrobe der menschlichen Dummheit? |
| Dr. Prätorius: |
Ich weiß gar nicht, mein Spatz, ob es mir
nicht wirklich ernst ist. |
| Violetta: |
Hm. |
| Dr. Prätorius: |
Sieh mal, wenn man nach zwei Weltkatastrophen
eine dritte plant, dann muss doch irgendetwas mit den Gehirnen der
Menschen nicht in Ordnung sein.
Und heute, wo man in 88 Minuten um die Erde kreist und den Mond
aus allernächster Nähe fotografieren kann, sollte man
doch herausfinden können, was diese Verheerungen in den Menschenhirnen
hervorruft. Hm? |
| Violetta: |
Hm. |
0:58:46 |
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| Dr. Prätorius: |
Violetta gehört zu jenen Frauen, denen Gott
in einer Sonntagslaune die Gabe verlieh, ihre Männer zum Lachen
statt zum Weinen zu bringen.
Und damit sind wir wieder beim Thema, meine Damen und Herren: Wer
mit Humor zu sterben verstünde, hätte die höchste
Stufe erreicht. |
0:59:48 |
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| Kollege und Freund Dr. Klotz: |
Ich finde das reizend, wie Sie auf seine Albernheiten
eingehen. |
| Violetta: |
Ich hab einmal eine Predigt gehört, da sagte
der Pfarrer am Schluss: Und lieber Gott, schenk mir die Gabe, mich
an einem Scherz zu freuen. Gib mir genug Sinn für Humor, dass
ich sehe, wie klein und nichtig die Dinge sind, um die wir uns sorgen.
Amen |
1:08:24 (nach dem Brief mit Vorladung zum Ehrengericht) |
| Dr. Prätorius: |
Na Spatz. Jetzt möch'st Du wohl gerne wissen,
was der Ehrenrat von mir will. |
| Violetta: |
Was wirft man Dir vor? |
| Dr. Prätorius: |
Es gibt immer irgendetwas, was man einem vorwerfen
kann. Ich würde manchen Leuten vorwerfen, dass man ihnen gar
nichts vorwerfen kann. ... Zufrieden? |
| Violetta: |
Ja.
Ich bin nur ein bisschen ... |
| Dr. Prätorius: |
nervös ? |
| Violetta: |
... aber das hat wohl einen natürlichen Grund.
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| Dr. Prätorius: |
Vielleicht den, der einmal kräftig schreien
wird? |
| Violetta: |
Wie kräftig er schreien wird, werden wir im
Sommer erfahren. |
| Dr. Prätorius: |
Im Frühjahr |
| Violetta: |
Im Sommer |
| Dr. Prätorius: |
Im Frühjahr mein Engel. Erinnerst Du Dich, wie
Du sagtest: "Wenn ich es doch nur behalten könnte."?
Ich wollt's auch gern behalten. Ich kann ja auch mal was wollen
- zum Donnerwetter. |
| Violetta: |
Hiob ... |
1:22:00 am Ende des Ehrengerichtes |
| Dr. Speiter: |
[...] Ihr Gatte ist beschuldigt, die Würde des
Arztes verletzt zu haben. |
| Violetta: |
Nein, meine Herren, er ist nicht beschuldigt,
weil er die Würde des Arztes verletzt hat.
Was man ihm nicht verzeiht, ist dass er mit Mitteln arbeitet, und
zwar mit Erfolg, die in Apotheken nicht erhältlich sind - mit
Methoden, die streberhaft nicht erlernbar sind, weil sie persönliche
Fähigkeiten voraussetzen, von denen man wohl Proben, aber keine
Prüfungen ablegen kann. Sie alle kennen seine Theorie von der
Aufheiterung der Patienten. Humor, meine Herren, ist nicht erlernbar.
Neben Geist und Witz setzt er vor allem ein großes Maß
an Herzensgüte voraus - an Nachsicht, Geduld und Menschenliebe
- und deswegen ist er auch so selten. |
| Rektor Nordhaus: |
Sie hätten Künstler werden sollen und nicht
Arzt. |
| Dr. Prätorius: |
Ein Arzt, der kein Künstler ist, ist auch kein
Arzt. |
| Violetta: |
Darf ich ihn jetzt mitnehmen? (zum Konzert, das
er dirigieren soll) |
| Rektor Nordhaus: |
Sie dürfen, gnädige Frau. |