Wann gibt's mal eine wählbare Partei?

Dies habe ich am 19. August 2010 als Beitrag für das www.peak-oil-forum.de (leider nicht mehr online) geschrieben,
aber nicht veröffentlicht, weil es nicht fertig war.
Bevor ich mir irgendwann mal die Zeit nehme, es neu zu formulieren, dient der alte Forenbeitrag als Provisorium.



Afghanistan - der Sammelthread

Zitat von "powertiger"
So gesehen ist unsere Demokratie völlig in Ordnung.
Die gewählten Repräsentanten haben nie einen Hehl aus ihrer Afghanistan Politik gemacht. Jeder Bürger wusste welche Politik er wählt.
Es ist jedem frei gestellt andere Parteien zu wählen die einen schnellen Afghanistan Rückzug fordern.
 


Hallo powertiger,

das Problem ist, dass man nur die Wahl zwischen verschiedenen Komplettpaketen hat (man könnte auch sagen Mogelpackungen). Ich bin mir zwar nicht sicher, ob eine Basisdemokratie besser wäre, in der die Bürger über viele Fragen einzeln abstimmen, denn das würde voraussetzen dass sie sich genau informieren um nicht Populismus auf den Leim zu gehen. Ich bin mir aber sicher, dass unsere Repräsentanten deutlich mehr Mut haben sollten, sich nach dem erkennbaren Willen der Bevölkerung zu richten (denn sie hat durchaus ein gesundes Gefühl für das was richtig und was falsch ist; Beispiele: Atomstrom, grüne Gentechnik, Afghanistan, Überwachungsstaat), statt zu meinen, sich darüber hinwegsetzen zu sollen. Wer wundert sich da über Politikverdrossenheit?

Mir geht es jedenfalls meist so, dass ich bei einer Partei etwas gut finde, aber wegen etwas anderem ist sie kaum wählbar.

Soll ich die FDP wählen?
Eigentlich bin ich für sehr viel weniger Staat, viel weniger Vorschriften, viel weniger Bürokratie ... Wenn die Rede davon ist, dass man in Afghanistan eine "funktionierende Verwaltung" aufbauen will, läuten bei mir die Alarmglocken. Will man den Leuten dort diese Plage auch noch bringen? Die Paschtunen im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan hatten bisher von der Grenze kaum etwas gemerkt - selbst dass sie in einem Staat lebten, davon merkten sie nichts - das war ihnen kaum bewusst. Die Glücklichen!
Ich bin eigentlich für "die große Freiheit". Jeder kann tun was er will, solange es keinem schadet. Nur in wenigen Punkten bin ich nicht für "die große Freiheit" - z.B. keine Gentechnik in der Landwirtschaft, keine Kernenergie, keine allgemeine Ladenöffnung an Sonntagen u.ä. ... und kein Militäreinsatz in Afghanistan - und bei diesen Punkten versagt die FDP.

Soll ich also die Linkspartei wählen?
Gut, die sind so ziemlich die Einzigen, die einigermaßen konsequent einen schnellen Abzug aus Afghanistan fordern. Sehr gut!
Aber was haben sie sonst im Gepäck? Mit ihnen würde man z.B. für die Legalisierung von Drogen wählen. Darin bin ich aber absolut nicht für "die große Freiheit". Das hat sogar wieder einen Bezug zu Afghanistan: Egal, wer es wirklich ist, der dort vom Drogenanbau profitieren will - wir sollten das Zeug einfach nicht abnehmen! Es richtet so viel Leid an!
Dann wäre da die Gesellschaftspolitik der Linken ... worin sie sich mit den Grünen die Hand reichen können ... (siehe nächster Punkt).

Die Grünen ?
In ihrem Hauptthema sind sie gut: Erneuerbare Energien, Umweltschutz
Leider vertreten sie genauso vehement das Gender-Mainstreaming, die Gleichmacherei zwischen Männern und Frauen ... Man redet den Frauen ein, dass ihre traditionelle Rolle wenig wert sei. Mit Sprüchen wie "Kinder, Küche, Kirche" wird versucht, sie lächerlich zu machen (vielleicht sollte man mal ein Sprüchlein für die andere Seite dagegen halten: "Babyverzicht, Büro, Barbie-outfit"). Die Mütter in den Dienst der Wirtschaft zu stellen - das mag der Wirtschaft gefallen. Ihre Kraft würde aber viel wichtiger gebraucht, die Kinder selbst zu anständigen, vertrauensvollen, positiven Menschen zu erziehen und vor allem Liebe, Geborgenheit und Vertrauen von Generation zu Generation weiterzugeben. Das kann eine staatliche oder rationalisierte Erziehung nicht. Wenn ein kleines Kind in der "Kita" abgegeben wird - mögen da die Erzieherinnen noch so lieb und nett sein - kann es das Kind als Vertrauensbruch und als gnadenlos erleben, dass die Mama es dort zurück lässt (und auf einmal etwas anderes wichtiger findet). Diese Verletzung kann ein ganzes Leben beeinflussen. Wahrscheinlich haben wir heute deshalb so viele gnadenlose oder auch nur orientierungslose Menschen (auch Politiker).
Wer wundert sich z.B., dass (das in Punkto Kinderbetreuung als "fortschrittlich" gelobte) Schweden, das einst mit als erster den Fallout von Tschernobyl registrierte und in der Folge den Atomausstieg beschloss, offenbar schon alles wieder vergessen hat und sogar neue Atomkraftwerke bauen will? Von allen guten Geistern verlassen? Da helfen auch Grüne nicht - im Gegenteil.

Die CDU/CSU ?
Eigentlich finde ich "konservativ" sehr gut, im Sinn von bewahrend. Ich würde mich auf jeden Fall als konservativ bezeichnen. Leider fällt es Konservativen teilweise schwer, sich verändernde Bedingungen zu erkennen und darauf zu reagieren (deswegen ist es wohl gut, dass es die Fortschrittlichen, Progressiven als Gegengewicht zur langen Leitung der Konservativen gibt). Peak Oil dürfte ein Beispiel dafür sein - und vielleicht kam man deswegen als "Peak-Oiler", zumindestens in der Anfangszeit, so leicht in den Verdacht, links zu sein. Konservative versuchen es beharrlich mit den alten Rezepten, wie Wirtschaftswachstum als Allheimittel ... und wundern sich, wenn ihre Rechnung nicht mehr auf geht (Beispiel Landesbanken). Leider haben "unsere Konservativen" viel von der alten Beständigkeit eingebüßt und meinen statt dessen, dem Zeitgeist nachlaufen zu müssen.
Schließlich haben, Gentechnik in der Landwirtschaft, oder das ständige Damoklesschwert dass uns eines der Atomkraftwerke um die Ohren fliegt, oder die Komplizenschaft mit den USA bei ihren Rohstoff- und Hegemonialkriegen nichts mit "bewahrend" zu tun.

Die SPD ?
Den Herrn Schröder hab ich tatsächlich mal gewählt, weil er wenigstens den Worten nach gegen den Irakkrieg war, obwohl mir klar war, dass er das vor allem gemacht hat, um an die Macht zu kommen. Gemocht habe ich ihn nicht, der versuchte, Stimmen (von Frauen?) zu bekommen, indem er sich z.B. in Zeitschriften so unkritisch zu Abtreibung äußerte. Weiß er nicht, was er damit anrichtet? Das war jedenfalls das Beste, das ich ihm unterstellen konnte. Ihn trotzdem zu wählen war schon eine harte Gratwanderung für mich, mit der ich wohl nie zufrieden sein werde. Der "Autokanzler" ... Wann haben wir mal einen "Kanzler der Menschen" oder des Lebens?

Selbst wenn ich ganz bescheiden bin und nur die beiden mir wichtigsten Punkte im Sinn der Menschenwürde nehme ...
Welche Partei
- tritt halbwegs glaubwürdig gegen Kriege ein?
- und tritt halbwegs glaubwürdig für das Lebensrecht der werdenden Kinder ein?
... Dann finde ich kaum eine Partei, die beides erfüllt - nicht bei uns und nicht in anderen Ländern. Warum eigentlich?

Die ÖDP ?
Ja, die vertritt meine Meinung noch am ehesten. (Teilweise ist sie aber zu lasch. Hier am Ort hat sie z.B. dem politischen Druck nachgegeben und zumindest ihr Chef votiert jetzt für ein unsinniges Straßenbauprojekt, obwohl die ÖDP ursprünglich sehr dagegen war und in Teilen weiterhin ist.)
Als Nachteil könnte man anführen, es wäre eine verschenkte Stimme, weil die ÖDP ja so klein ist - andererseits, wie soll sie größer werden, wenn alle so denken? Jedenfalls machen es mir die anderen Parteien leicht, sie nicht zu wählen, und so "verschenke" ich meine Stimme der ÖDP (wenn sie überhaupt antritt).

Die Christliche Mitte ?
Das wäre doch was: "für ein Deutschland nach Gottes Geboten", dachte ich eine Weile lang ... bis ich einmal eine Wahlwerbung dieser Partei im Briefkasten hatte. Diese strotzte nur so von Panikmache vor den Moslems in diesem Land. Solche Polarisierung! - Das brauche ich nun wirklich nicht! (Davon hab ich hier im Forum schon genug.)

Allzu viel erwarten darf man wohl von Parteien nicht. Mich wundert, wie vielen Leuten es offenbar leicht fällt, mit einer einverstanden zu sein - oder sich gar in einfache Schubladen, wie "links", "rechts" einzusortieren.


Mit Abstand am besten vertreten fühle ich mich von der (katholischen) Kirche.
Es ist daher kein Zufall, dass ich in ihr mitarbeite. Wählen kann man sie nicht - aber wahrscheinlich ist das besser so.
Natürlich darf man auch hier keine Fehlerfreiheit erwarten, wie bei den Parteien und den Menschen überhaupt.

Man kann ja versuchen, selbst besser zu werden ... und selbst wenn man in einer Sache perfekt geworden sein sollte, nicht den Fehler machen, andere ungerechter Weise daran zu messen. Vielleicht sind sie nur in etwas anderem gut oder gar perfekt.


Wolfram
 



Seite gegründet: 26. April 2025

Letzte Änderung: 26. April 2025


Wolfram Zucker

Zurück zur Startseite   zurück zur Themen-Übersicht