Hallo powertiger,
das Problem ist, dass man nur die Wahl zwischen verschiedenen Komplettpaketen
hat (man könnte auch sagen Mogelpackungen). Ich bin mir zwar nicht
sicher, ob eine Basisdemokratie besser wäre, in der die Bürger
über viele Fragen einzeln abstimmen, denn das würde voraussetzen
dass sie sich genau informieren um nicht Populismus auf den Leim zu gehen.
Ich bin mir aber sicher, dass unsere Repräsentanten deutlich mehr
Mut haben sollten, sich nach dem erkennbaren Willen der Bevölkerung
zu richten (denn sie hat durchaus ein gesundes Gefühl für das
was richtig und was falsch ist; Beispiele: Atomstrom, grüne Gentechnik,
Afghanistan, Überwachungsstaat), statt zu meinen, sich darüber
hinwegsetzen zu sollen. Wer wundert sich da über Politikverdrossenheit?
Mir geht es jedenfalls meist so, dass ich bei einer Partei etwas gut
finde, aber wegen etwas anderem ist sie kaum wählbar.
Soll ich die FDP wählen?
Eigentlich bin ich für sehr viel weniger Staat, viel weniger Vorschriften,
viel weniger Bürokratie ... Wenn die Rede davon ist, dass man in
Afghanistan eine "funktionierende Verwaltung" aufbauen will,
läuten bei mir die Alarmglocken. Will man den Leuten dort diese Plage
auch noch bringen? Die Paschtunen im Grenzgebiet zwischen Afghanistan
und Pakistan hatten bisher von der Grenze kaum etwas gemerkt - selbst
dass sie in einem Staat lebten, davon merkten sie nichts - das war ihnen
kaum bewusst. Die Glücklichen!
Ich bin eigentlich für "die große Freiheit". Jeder
kann tun was er will, solange es keinem schadet. Nur in wenigen Punkten
bin ich nicht für "die große Freiheit" - z.B. keine
Gentechnik in der Landwirtschaft, keine Kernenergie, keine allgemeine
Ladenöffnung an Sonntagen u.ä. ... und kein Militäreinsatz
in Afghanistan - und bei diesen Punkten versagt die FDP.
Soll ich also die Linkspartei wählen?
Gut, die sind so ziemlich die Einzigen, die einigermaßen konsequent
einen schnellen Abzug aus Afghanistan fordern. Sehr gut!
Aber was haben sie sonst im Gepäck? Mit ihnen würde man z.B.
für die Legalisierung von Drogen wählen. Darin bin ich aber
absolut nicht für "die große Freiheit". Das hat sogar
wieder einen Bezug zu Afghanistan: Egal, wer es wirklich ist, der dort
vom Drogenanbau profitieren will - wir sollten das Zeug einfach nicht
abnehmen! Es richtet so viel Leid an!
Dann wäre da die Gesellschaftspolitik der Linken ... worin sie sich
mit den Grünen die Hand reichen können ... (siehe nächster
Punkt).
Die Grünen ?
In ihrem Hauptthema sind sie gut: Erneuerbare Energien, Umweltschutz
Leider vertreten sie genauso vehement das Gender-Mainstreaming, die Gleichmacherei
zwischen Männern und Frauen ... Man redet den Frauen ein, dass ihre
traditionelle Rolle wenig wert sei. Mit Sprüchen wie "Kinder,
Küche, Kirche" wird versucht, sie lächerlich zu machen
(vielleicht sollte man mal ein Sprüchlein für die andere Seite
dagegen halten: "Babyverzicht, Büro, Barbie-outfit"). Die
Mütter in den Dienst der Wirtschaft zu stellen - das mag der Wirtschaft
gefallen. Ihre Kraft würde aber viel wichtiger gebraucht, die Kinder
selbst zu anständigen, vertrauensvollen, positiven Menschen zu erziehen
und vor allem Liebe, Geborgenheit und Vertrauen von Generation zu Generation
weiterzugeben. Das kann eine staatliche oder rationalisierte Erziehung
nicht. Wenn ein kleines Kind in der "Kita" abgegeben wird -
mögen da die Erzieherinnen noch so lieb und nett sein - kann es das
Kind als Vertrauensbruch und als gnadenlos erleben, dass die Mama es dort
zurück lässt (und auf einmal etwas anderes wichtiger findet).
Diese Verletzung kann ein ganzes Leben beeinflussen. Wahrscheinlich haben
wir heute deshalb so viele gnadenlose oder auch nur orientierungslose
Menschen (auch Politiker).
Wer wundert sich z.B., dass (das in Punkto Kinderbetreuung als "fortschrittlich"
gelobte) Schweden, das einst mit als erster den Fallout von Tschernobyl
registrierte und in der Folge den Atomausstieg beschloss, offenbar schon
alles wieder vergessen hat und sogar neue Atomkraftwerke bauen will? Von
allen guten Geistern verlassen? Da helfen auch Grüne nicht - im Gegenteil.
Die CDU/CSU ?
Eigentlich finde ich "konservativ" sehr gut, im Sinn von bewahrend.
Ich würde mich auf jeden Fall als konservativ bezeichnen. Leider
fällt es Konservativen teilweise schwer, sich verändernde Bedingungen
zu erkennen und darauf zu reagieren (deswegen ist es wohl gut, dass es
die Fortschrittlichen, Progressiven als Gegengewicht zur langen Leitung
der Konservativen gibt). Peak Oil dürfte ein Beispiel dafür
sein - und vielleicht kam man deswegen als "Peak-Oiler", zumindestens
in der Anfangszeit, so leicht in den Verdacht, links zu sein. Konservative
versuchen es beharrlich mit den alten Rezepten, wie Wirtschaftswachstum
als Allheimittel ... und wundern sich, wenn ihre Rechnung nicht mehr auf
geht (Beispiel Landesbanken). Leider haben "unsere Konservativen"
viel von der alten Beständigkeit eingebüßt und meinen
statt dessen, dem Zeitgeist nachlaufen zu müssen.
Schließlich haben, Gentechnik in der Landwirtschaft, oder das ständige
Damoklesschwert dass uns eines der Atomkraftwerke um die Ohren fliegt,
oder die Komplizenschaft mit den USA bei ihren Rohstoff- und Hegemonialkriegen
nichts mit "bewahrend" zu tun.
Die SPD ?
Den Herrn Schröder hab ich tatsächlich mal gewählt, weil
er wenigstens den Worten nach gegen den Irakkrieg war, obwohl mir klar
war, dass er das vor allem gemacht hat, um an die Macht zu kommen. Gemocht
habe ich ihn nicht, der versuchte, Stimmen (von Frauen?) zu bekommen,
indem er sich z.B. in Zeitschriften so unkritisch zu Abtreibung äußerte.
Weiß er nicht, was er damit anrichtet? Das war jedenfalls das Beste,
das ich ihm unterstellen konnte. Ihn trotzdem zu wählen war schon
eine harte Gratwanderung für mich, mit der ich wohl nie zufrieden
sein werde. Der "Autokanzler" ... Wann haben wir mal einen "Kanzler
der Menschen" oder des Lebens?
Selbst wenn ich ganz bescheiden bin und nur die beiden mir wichtigsten
Punkte im Sinn der Menschenwürde nehme ...
Welche Partei
- tritt halbwegs glaubwürdig gegen Kriege ein?
- und tritt halbwegs glaubwürdig für das Lebensrecht der werdenden
Kinder ein?
... Dann finde ich kaum eine Partei, die beides erfüllt - nicht bei
uns und nicht in anderen Ländern. Warum eigentlich?
Die ÖDP ?
Ja, die vertritt meine Meinung noch am ehesten. (Teilweise ist sie aber
zu lasch. Hier am Ort hat sie z.B. dem politischen Druck nachgegeben und
zumindest ihr Chef votiert jetzt für ein unsinniges Straßenbauprojekt,
obwohl die ÖDP ursprünglich sehr dagegen war und in Teilen weiterhin
ist.)
Als Nachteil könnte man anführen, es wäre eine verschenkte
Stimme, weil die ÖDP ja so klein ist - andererseits, wie soll sie
größer werden, wenn alle so denken? Jedenfalls machen es mir
die anderen Parteien leicht, sie nicht zu wählen, und so "verschenke"
ich meine Stimme der ÖDP (wenn sie überhaupt antritt).
Die Christliche Mitte ?
Das wäre doch was: "für ein Deutschland nach Gottes Geboten",
dachte ich eine Weile lang ... bis ich einmal eine Wahlwerbung dieser
Partei im Briefkasten hatte. Diese strotzte nur so von Panikmache vor
den Moslems in diesem Land. Solche Polarisierung! - Das brauche ich nun
wirklich nicht! (Davon hab ich hier im Forum schon genug.)
Allzu viel erwarten darf man wohl von Parteien nicht. Mich wundert, wie
vielen Leuten es offenbar leicht fällt, mit einer einverstanden zu
sein - oder sich gar in einfache Schubladen, wie "links", "rechts"
einzusortieren.
Mit Abstand am besten vertreten fühle ich mich von der (katholischen)
Kirche.
Es ist daher kein Zufall, dass ich in ihr mitarbeite. Wählen kann
man sie nicht - aber wahrscheinlich ist das besser so.
Natürlich darf man auch hier keine Fehlerfreiheit erwarten, wie bei
den Parteien und den Menschen überhaupt.
Man kann ja versuchen, selbst besser zu werden ... und selbst wenn man
in einer Sache perfekt geworden sein sollte, nicht den Fehler machen,
andere ungerechter Weise daran zu messen. Vielleicht sind sie nur in etwas
anderem gut oder gar perfekt.
Wolfram
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